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- Autorenabend im graphischen Kabinett
- (22. Januar)
- Die Einleitung durch Richard Huelsenbeck gestaltete sich zu einer Proklamation für den 'Dadaismus'. Dadaisten. so nennt sich eine Vereinigung von jungen Literaten und Malern in Zürich, die die Sprachunterschiede durch - Naturläute überbrücken wollen. Ihre Gedichte gipfeln in Ausrufen wie: hoho, hihi ...
Glücklicherweise versicherte Huelsenbeck, daß die nachfolgenden Autoren nichts mit dem Dadaismus zu tun hatten. Um Theodor Däubler scharen sich die Jungen. Er las aus den 'Mittelmeergedichten', andachtig seinem Werke hingegeben.
Schwere, prunkvolle Verse schreiten einher: "Die Nacht ist eine Mohrin, eine Heidin ..." Er belebt die Natur im antiken Sinne und überschüttet mit farbenprachtigen Bildern. Max Hermann-Neisse hält, was er vor Jahren versprochen.
"Das Kapitel aus einem kleinen Evangelium" und die tänzelnden Rhythmen des Gedichtes 'Birke, auflodernde Güte ...' zeigen ihn am reifsten. Verse der beiden gefallenen Dichter Ernst Stadler und Alfred Lichtenstein sprach Resi Langer mit sicherer Beherrschung der Technik und des Ausdrucks. Stadlers gehammerte Verse aus dem Gedichtband Der Aufbruch gelangten so zu ihrer vollen Wirkung. Lichtenstein, jäh zerstörte Hoffnung kommt von seinen Jugendgedichten, die man am besten mit futuristischen Gemälden vergleicht - die unvermittelt einen Eindruck an den andern setzen - zu der schlichten Form einer innigen Lyrik. Erschütternde Todesahnung zieht sich durch seine letzten Gedichte. Den Schluß bildete Hans Heinrich von Twardowski; die Unbeholfenheit seiner Verse ist nur mit seiner großen Jugend zu entschuldigen. - TEXT CREDITS
hn., 'Autorenabend im Graphischen Kabinett', in Norddeutsche Allgemeine Zeitung (Evening Issue) 23 January 1918. Reprinted in Karin Füllner, Dada Berlin in Zeitungen. Gedächtnisfeiern und Skandale. Veröffentlichungen des Forschungsschwerpunkt MuK 43 (Forschungsschwerpunkt MuK an der Universität - Gesamthochschule Siegen : Siegen 1986) 15.